Vorkaufsrecht: Wer hat Vorrang beim Immobilienkauf?
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Das Vorkaufsrecht ist das Ass im Ärmel von Kaufinteressierten: Wenn
eine Immobilie, die für sie von Bedeutung ist, verkauft wird, haben sie das
Vorrecht, diese zu erwerben – und zwar bevor andere zum Zug kommen. Wie das
Vorkaufsrecht funktioniert und was Sie unbedingt wissen sollten.
Das Vorkaufsrecht bezeichnet das Recht auf Ersterwerb: Berechtigte haben das Vorrecht, eine Immobilie oder ein Grundstück zu erwerben, bevor Dritte dies tun.
Es gibt ein schuldrechtliches, dingliches und gesetzliches Vorkaufsrecht, die jeweils unterschiedliche rechtliche Grundlagen und Bedingungen haben.
Vorkaufsberechtigte müssen innerhalb gesetzlicher Fristen entscheiden, ob sie von ihrem Recht Gebrauch machen. Bei Immobilien beträgt diese Frist meist zwei Monate.
Wenn andere warten müssen: Was ist das Vorkaufsrecht?
Das Recht auf Ersterwerb ist ein gesetzlich oder vertraglich festgelegtes Recht, das es einer bestimmten Person oder Personengruppe ermöglicht, eine Immobilie zu kaufen, bevor sie an jemand anderen verkauft wird. Es gibt den Berechtigten die Möglichkeit, in einen bestehenden Kaufvertrag einzutreten und die Immobilie zu den gleichen Konditionen zu erwerben, die mit Dritten vereinbart wurden. Ziel ist es, die Vorkaufsberechtigten – zum Beispiel Mieter, Mieterinnen oder Gemeinden – vor unerwünschten Veränderungen zu schützen oder den öffentlichen Bebauungsplan zu ermöglichen. Die gesetzliche Grundlage bildet Paragraf 463 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
- Das Recht tritt erst in Kraft, wenn ein Kaufvertrag zwischen dem Eigentümer, beziehungsweise der Eigentümerin, und einer dritten Person vorliegt. Die Verkäuferseite muss Vorkaufsberechtigte informieren und ihnen die Möglichkeit geben, den Kaufvertrag zu den gleichen Bedingungen abzuschließen.
- Für Berechtigte bietet das Recht den großen Vorteil, dass sie nicht von unerwarteten Verkäufen überrascht werden. Sie werden bevorzugt behandelt und können die Immobilie zu den ausgehandelten Bedingungen erwerben, bevor andere Interessierte die Chance erhalten. Dies kann besonders für Mieter und Mieterinnen oder Familienangehörige wichtig sein, um ihre Wohn- oder Lebenssituation zu sichern.
Fristen beim Vorkaufsrecht
Um das Recht auf Ersterwerb durchzusetzen, sind bestimmte Fristen einzuhalten. Die wichtigsten sind:
- Benachrichtigungsfrist Sobald ein Kaufvertrag mit Dritten geschlossen wird, muss der Verkäufer oder die Verkäuferin die Vorkaufsberechtigten unverzüglich informieren.
- Ausübungsfrist Nach der Benachrichtigung haben Berechtigte in der Regel zwei Monate Zeit, um ihr Recht auszuüben. Verstreicht diese Frist ohne Reaktion, können Verkäuferinnen und Verkäufer die Immobilie an eine dritte Person verkaufen. Bei beweglichen Sachen, wie etwa beim Verkauf von Inventar, gilt eine Frist von einer Woche.
Die drei Hauptarten des Rechts auf Ersterwerb
Um unterschiedliche rechtliche Situationen und Bedürfnisse abzudecken, existieren drei verschiedene Arten des Vorkaufsrechts: das dingliche, das schuldrechtliche und das gesetzliche. Jede Art hat eigene rechtliche Auswirkungen:
- Dingliches Vorkaufsrecht: Starker Schutz durch Eintragung im Grundbuch
Das dingliche Vorkaufsrecht bezieht sich nur auf unbewegliche Sachen wie Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte. Es muss im Grundbuch eingetragen werden und verleiht dem Berechtigten eine starke Position, da es gegenüber allen Dritten wirkt – unabhängig davon, ob diese von dem Recht wissen oder nicht. Es ist untrennbar mit der Immobilie oder dem Grundstück verbunden. Selbst nach einem abgeschlossenen Kaufvertrag bleibt das Recht bestehen, bis es ausgeübt oder erloschen ist.
Beispiel: Ein Eigentümer hat sein Grundstück verkauft. Wurden Berechtigte übergangen, können sie ihr Vorkaufsrecht nachträglich ausüben, was dazu führt, dass ein neuer Kaufvertrag zwischen ihnen und dem Eigentümer zustande kommt, und zwar zu den gleichen Bedingungen wie der ursprüngliche Vertrag.
Diese Form ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Schutz der Berechtigten langfristig gesichert werden soll, etwa in familiären oder engen persönlichen Verhältnissen, wie bei Nachbarinnen, Nachbarn, Miterbinnen oder Miterben.
- Schuldrechtliches Vorkaufsrecht: Flexibler Schutz durch vertragliche Vereinbarung
Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht gilt sowohl für bewegliche als auch unbewegliche Sachen. Es wird nicht im Grundbuch vermerkt, sondern vertraglich vereinbart und ist nur zwischen den beiden Vertragsparteien rechtsverbindlich (inter partes). Da es weniger formale Anforderungen gibt, eignet es sich für Situationen, in denen Berechtigte nicht langfristig, sondern für eine bestimmte Phase des Verkaufsprozesses geschützt werden soll. Es kommt bei Immobilien häufig im Mietvertrag oder in Nutzungsverträgen zum Einsatz – in jedem Fall muss der Vorkaufsrechtsvertrag notariell beurkundet werden. Bei Verstößen haben Berechtigte Anspruch auf Schadensersatz.
Beispiel: Ein Mieter, der seine Mietwohnung umfangreich modernisiert, kann sich – wenn es so mit dem Eigentümer vereinbart wird – beim Notar ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht sichern, um die Wohnung im Verkaufsfall zu erwerben. Wird die Mietwohnung verkauft, ohne den Berechtigten zu informieren, bleibt der Kaufvertrag zwar gültig, der bisherige Mieter kann jedoch Schadensersatz verlangen. Unter bestimmten Umständen kann der bisherige Mieter sogar die Übertragung des Kaufgegenstandes fordern. Das ist der Fall, wenn der Dritte, also der Käufer der Immobilie, bösgläubig war – er also wusste oder hätte wissen müssen, dass der Vorkaufsberechtigte nicht über das Verkaufsangebot informiert wurde.
- Gesetzliches Vorkaufsrecht: Schutz des öffentlichen und sozialen Interesses
Das gesetzliche Vorkaufsrecht greift automatisch in bestimmten Situationen, ohne dass ein Vertrag geschlossen wurde. Es ist in Gesetzen wie dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder dem Baugesetzbuch (BauGB) geregelt und soll spezielle Interessen schützen. Wenn Vermieterinnen oder Vermieter ihre Mietwohnungen beispielsweise in Eigentumswohnungen umwandeln und diese verkaufen möchten, sind sie gesetzlich verpflichtet, den Mieterinnen und Mietern ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Dies schützt diese vor Verdrängung. Auch Miterbinnen, Miterben und Gemeinden haben in bestimmten Fällen ein gesetzliches, öffentlich-rechtliches Vorkaufsrecht. Die Berechtigten müssen jedoch aktiv werden und das Recht ausüben, wenn sie davon Gebrauch machen möchten.
Beispiel: Wenn eine Gemeinde einen Bebauungsplan verfolgt, kann sie ihr öffentlich-rechtliches Vorkaufsrecht ausüben, um Grundstücke zu erwerben, die für die Entwicklung notwendig sind. Privatpersonen haben in diesem Fall keine Möglichkeit, das Grundstück zu kaufen.
Hier geht es vor allem darum, das Allgemeinwohl oder die Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen zu schützen, ohne dass jede einzelne Situation vertraglich geregelt werden muss.
Unterschiedliche Arten im Überblick
Art des Rechts
- Dingliches Vorkaufsrecht
Merkmale:
- Muss im Grundbuch eingetragen werden
- Gilt für für Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte
- Kann nur bis zur Eigentumsübertragung ausgeübt werden
- Bleibt auch bei Eigentümerwechsel bestehen
- Schuldrechtliches Vorkaufsrecht
- Wird vertraglich vereinbart, bei Immobilien ist notarielle Beurkundung erforderlich
- Kein Eintrag ins Grundbuch
- Berechtigt zu Schadensersatz bei Missachtung, unter Umständen auch zur Übertragung des Kaufgegenstands
- Gesetzliches Vorkaufsrecht
- Unter anderem in BGB und BauGB verankert
- Greift automatisch bei bestimmten Umständen, etwa beim Verkauf einer Mietwohnung nach Umwandlung in Eigentum
- Muss innerhalb bestimmter Fristen ausgeübt werden
Vorteile und Nachteile des Vorkaufsrechts
Das Recht auf Ersterwerb bietet für Berechtigte einen wichtigen Schutzmechanismus und schafft die Möglichkeit, bevorzugt eine Immobilie oder ein Grundstück zu erwerben – beispielsweise für einen landwirtschaftlichen Betrieb, der angrenzende Flächen sichern möchte, oder eine Gemeinde, die ihre städtebaulichen Ziele verfolgt. Gerade in Märkten mit starker Nachfrage oder bei attraktiven Objekten bietet das Recht den Berechtigten zudem eine faire Chance, die Immobilie zu den ausgehandelten Konditionen zu erwerben, ohne in einem Bieterwettbewerb benachteiligt zu werden.
Ob das Recht erfolgreich ausgeübt werden kann, hängt allerdings davon ab, ob die Berechtigten willens in der Lage sind, die vorab mit Dritten ausgehandelten Kaufbedingungen zu akzeptieren und den Kaufpreis zu finanzieren. Ohne gesicherte Finanzierung verliert das Recht seinen Wert. Besonders in einem angespannten Immobilienmarkt bieten Investoren mitunter höhere Summen als Vorkaufsberechtigte kurzfristig aufbringen können. Informieren Sie sich daher in Vorbereitung auf einen möglichen Immobilienkauf idealerweise frühzeitig über die Finanzierungsoptionen.
Sie überlegen vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und benötigen noch Beratung?
Für Verkäuferinnen und Verkäufer stellt das Recht auf Ersterwerb eine Einschränkung dar, die den
Verkauf verlangsamen und den Preis beeinflussen kann. Denn solange Berechtigte ihre
Entscheidung nicht getroffen haben, bleibt der Verkaufsprozess blockiert. Nicht
zuletzt erfordert das Vorkaufsrecht in vielen Fällen eine formelle Abwicklung,
insbesondere wenn es dinglich im Grundbuch eingetragen ist. Dieser
bürokratische Aufwand kann sowohl für die Verkäuferinnen und Verkäufer als auch
für die Vorkaufsberechtigten zusätzliche Kosten und Zeitaufwand bedeuten.
Vorteile | Nachteile |
---|---|
Vorrang beim Immobilienkauf | Keinen Einfluss für Vorkaufsberechtigte auf die Konditionen des Kaufvertrags |
Schutz vor unerwünschten Verkäufen | Eingeschränkte Verkäuferfreiheit |
Sicherheit für langfristige Pläne | Verzögerter Verkaufsprozess |
Chancengleichheit bei Immobilienkäufen | Komplexere Verkaufsabwicklung |
Ablauf eines Verkaufs mit Vorkaufsrecht
Wenn eine Immobilie mit einem bestehenden Recht auf Ersterwerb verkauft wird, läuft der Prozess folgendermaßen ab:
Die Verkäuferseite informiert die Vorkaufsberechtigten über die beabsichtigte Veräußerung und setzt eine Frist.
Die Berechtigten müssen innerhalb dieser Frist verbindlich
erklären, ob sie ihr Vorkaufsrecht ausüben. Versäumen sie dies, kann die
Immobilie an andere Interessenten und Interessentinnen verkauft
werden.
Üben Berechtigte ihr Recht aus, wird ein neuer Kaufvertrag unter
den gleichen Bedingungen wie mit den Dritten abgeschlossen. Der Vertrag muss
notariell beurkundet werden. Verzichten die Berechtigten auf ihr Recht, kann die
Veräußerung an Dritte wie geplant erfolgen.
Es gibt Situationen, in denen ein Vorkaufsrecht nicht greift oder ausgeschlossen wird:
- Verkäufe an enge Verwandte sind oft ausgenommen.
- Es greift nicht, wenn die Immobilie verschenkt wird.
- Bei Zwangsversteigerungen erlischt das Recht automatisch.
Das Recht erlischt zudem, wenn:
- Berechtigte auf das Recht verzichten,
- die festgelegte Frist zur Ausübung abläuft,
- das dingliche Vorkaufsrecht nicht länger im Grundbuch vermerkt ist.
Vorkaufsrecht nutzen: Ohne solide Finanzierung bleibt es nur eine Option
Das Recht auf Ersterwerb ist ein mächtiges juristisches Werkzeug im Immobilienmarkt. Es ermöglicht Berechtigten, aktiv in den Verkaufsprozess einzugreifen und eine Immobilie zu erwerben, die vielleicht schon lange im Blickfeld ist. Voraussetzung ist, dass Berechtigte nicht nur schnell handeln, sondern auch kurzfristig die Finanzierung sicherstellen können. Für die Verkäuferseite kann das Recht zu Verzögerungen führen und den Verkaufsprozess komplizieren. Beide Seiten sollten daher die rechtlichen Voraussetzungen und Fristen genau beachten, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Redakteur
Häufige Fragen
Die Gültigkeit hängt von der Art des Rechts ab:
- Ein dingliches Vorkaufsrecht, das im Grundbuch eingetragen ist, bleibt bestehen, bis es ausgeübt oder gelöscht wird.
- Ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht ist an die im Vertrag festgelegten Bedingungen und Fristen gebunden.
- Bei gesetzlichen Vorkaufsrechten, wie dem von Mieterinnen und Mietern, gilt das Recht in der Regel nur beim ersten Verkauf der umgewandelten Eigentumswohnung.
Ein Recht auf Ersterwerb bietet der berechtigten Person die Möglichkeit, eine Immobilie vorrangig zu erwerben, bevor sie an Dritte verkauft wird. Es schützt Mieterinnen und Mieter vor ungewollten Eigentümerwechseln, Gemeinden vor unerwünschten städtebaulichen Veränderungen und sichert Nachbarinnen und Nachbarn oder Familienmitgliedern den Zugang zu benachbarten oder familiären Immobilien. Das schafft Planungssicherheit und schützt vor Preisspekulationen. Berechtigte können die Immobilie zu den gleichen Konditionen erwerben, die mit Dritten ausgehandelt wurden.
Nein, das öffentlich-rechtliche Vorkaufsrecht der Gemeinde besteht nur in bestimmten Fällen, die im Baugesetzbuch (BauGB) geregelt sind. Es greift beispielsweise in städtebaulichen Entwicklungs- oder Sanierungsgebieten, aber nicht bei allen Immobilienverkäufen. Ein Verkauf an enge Familienmitglieder ist in der Regel vom Recht der Gemeinde ausgenommen.
Mieterinnen und Mieter haben ein gesetzliches Vorkaufsrecht, wenn ihre Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt wird und die Eigentümerin oder der Eigentümer diese verkaufen möchte. Sie haben in der Regel zwei Monate Zeit, um ihr Recht auszuüben, nachdem sie vom Verkauf informiert wurden und können die Wohnung zu denselben Konditionen erwerben, die mit einer dritten Person vereinbart wurden. Dieses Recht gilt jedoch nur bei der ersten Veräußerung nach der Umwandlung in Wohneigentum. Wird ein Mehrfamilienhaus als Ganzes verkauft wird und nicht in einzelne Eigentumswohnungen aufgeteilt, haben die Mietenden kein Vorkaufsrecht für ihre individuellen Wohnungen.
Es besteht nicht, wenn die Immobilie verschenkt oder durch Erbschaft übertragen wird. Auch bei Zwangsversteigerungen greift es nicht. Zudem ist es ausgeschlossen, wenn die Veräußerung an enge Familienmitglieder erfolgt, wie etwa Ehepartnerinnen, Ehepartner, Kinder oder Eltern.
Die oder der Vorkaufsberechtigte muss genau den Preis zahlen, der mit der dritten Person vereinbart wurde. Die Immobilie wird also zu denselben Konditionen erworben, die im Kaufvertrag festgelegt sind. Eine Anpassung oder Neuverhandlung des Preises ist in der Regel nicht möglich.
Für die berechtigte Person kann der Nachteil sein, dass sie den festgelegten Kaufpreis übernehmen muss, selbst wenn dieser höher ist als erwartet oder finanziell schwer tragbar. Zudem besteht Zeitdruck für die Entscheidung und die kurzfristige Finanzierung kann eine Herausforderung darstellen. Für den Verkäufer oder die Verkäufer bedeutet das Recht eine Einschränkung der Verkaufsfreiheit und möglicherweise Verzögerungen im Verkaufsprozess.
Ein gesetzliches Vorkaufsrecht besteht in bestimmten Situationen automatisch. Beispiele können das Vorkaufsrecht von Mieterinnen und Mietern sein beim Verkauf ihrer Mietwohnung nach Umwandlung in Eigentum (§ 577 BGB) oder das kommunale Vorkaufsrecht der Gemeinde nach dem Baugesetzbuch (§ 24 BauGB), etwa in städtebaulichen Entwicklungsgebieten.
Eine Vorkaufsrechtsverzichtserklärung – auch Negativattest genannt – ist eine offizielle Erklärung, in der eine Gemeinde ihr öffentlich-rechtliches Vorkaufsrecht verzichtet oder Mieter und Mieterinnen erklären, ihr privatrechtliches, gesetzliches Vorkaufsrecht nicht auszuüben. Diese Erklärung ist notwendig, um die Immobilie rechtmäßig verkaufen zu können und dies ins Grundbuch eintragen zu lassen.